Veranstaltung: | Bezirksversammlung Mühldorf 23.6.2018 |
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Antragsteller*in: | Bezirksvorstand & Gülseren Demirel, KV München Stadt |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 16.05.2018, 16:22 |
W1: Bezahlbar wohnen in lebenswerten Städten & Orten in Oberbayern
Antragstext
Kein Ballungsgebiet in Deutschland wächst so schnell wie der Süden Bayerns im
weitem Umkreis rund um München. Der Anstieg der Immobilien- und Mietpreise aber
auch die zunehmende Wohnungslosigkeit stellen uns vor große Herausforderungen.
Alle Einkommensschichten mit auskömmlichem und bezahlbarem Wohnraum zu versorgen
ist eine der drängendsten Aufgaben die sich in allen Städten und Gemeinden der
Wachstumsregion Oberbayern stellt.
Wohnen ist für Grüne aber mehr als nur ein Dach über den Kopf. Wir müssen uns
auch um den Raum für Erholung, Grünflächen, Mobilität und Arbeit kümmern. Unser
Ziel ist es, menschenfreundliche, lebenswerte Orte zu gestalten.
Wohnungsbau für morgen: sozial, urban, grün
Wohnen ist keine Ware sondern ein Menschenrecht (Art. 31 der Europäischen
Sozialcharta) und auch in der Bayerischen Verfassung im Artikel 106 verankert:
„Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung. Die Förderung
des Baues billiger Volkswohnungen ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden.“
Dieses wertvolle Gut kann und darf nicht allein den Kräften des Marktes und der
Spekulation mit Boden und Wohnraum überlassen werden. Eine soziale und
nachhaltige Siedlungs- und Wohnungsentwicklung braucht politische Gestaltung.
Wohnen ist für uns ein Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Wir GRÜNE setzen
uns für eine gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik ein.
Den Auftrag der Bayerischen Verfassung, gleichwertige Lebensverhältnisse und
Arbeitsbedingungen in Stadt und Land zu schaffen (Art. 3, Satz 2), nehmen wir
ernst. Deshalb wollen wir die wirtschafts- und landesentwicklungspolitischen
Handlungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand nutzen, um den Zuzugsdruck auf die
Ballungsräume nach Möglichkeit zu reduzieren.
Ferner wollen wir ein sozialeres Bodenrecht, wie es auch unsere Bayerische
Verfassung in Artikel 161 vorschreibt: „Steigerungen des Bodenwertes, die ohne
besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die
Allgemeinheit nutzbar zu machen.“
Nichtsdestotrotz muss mehr bezahlbarer Wohnraum in Oberbayern geschaffen werden.
Für uns Grüne ist entscheidend: Wir brauchen nicht nur Quantität, sondern vor
allem auch Qualität. Wir wollen Siedlungsstrukturen entwickeln, die eine
dauerhaft hohe Lebensqualität bieten. Wir Grüne wollen das Bevölkerungswachstum
so gestalten, dass unsere Orte ihren individuellen Charakter erhalten und
entwickeln, Verkehr vermieden wird, Nahversorgung und Infrastruktur verbessert
werden und verfolgen dafür das Leitbild der „Stadt der kurzen Wege“. Dazu setzen
wir auf den massiven Ausbau des Fuß- und Radverkehrs sowie des ÖPNV inklusive
neuer kollektiver Verkehrsformen wie Car-, Bike- und Ridesharing.
Vorrang hat für uns der öffentliche und der genossenschaftliche Wohnungsbau in
hochwertiger Qualität, insbesondere um Bahnhöfe in urbaner Dichte, hohen
energetischen und baulichen Standards, barrierefrei, generationengerecht und
sozial gut durchmischt.
Hohe Lebensqualität zeichnet sich nicht nur durch gute Baukörper aus, sondern
auch durch die Abwesenheit von Verkehrslärm und -stress sowie durch die
Verfügbarkeit von attraktiven öffentlichen dörflichen oder städtischen Räumen,
die zum Aufhalten, Verweilen, Kommunizieren, Spielen und Einkehren einladen.
Darüber hinaus wollen wir Grünflächen und naturnahe Naherholungsgebiete erhalten
und aufwerten.
Um dieses Ziele erreichen zu können, müssen wir auf allen politischen Ebenen in
Bund, Land und Kommune handeln.
Übergreifende Maßnahmen für Bund, Land und Kommunen:
- Öffentlichen Wohn- und Grundbesitz in öffentlicher Hand belassen. Nach
Möglichkeit geeignete Flächen durch die öffentliche Hand ankaufen.
- Kommunen und ihre Handlungsmöglichkeiten stärken um eine vorausschauende,
gemeinwohlorientierte Daseinsvorsorge und Bodenpolitik betreiben zu
können.
- Wohnungen bauen und langfristig sozial binden, dauerhaft günstig,
lebenswert und mittendrin. Für Familien, Niedrigverdiener, Senioren,
Menschen mit Behinderung.
- Anreize schaffen, damit Unternehmen wieder Betriebswohnungen bauen. Wieder
in Bedienstetenwohnungen der öffentlichen Hand investieren.
Von der Bundespolitik erwarten wir:
Spekulation und Wucher beenden
- Unsere Wohnungen dürfen keine Spekulationsobjekte sein. Deshalb sind
Immobilienspekulationen uneingeschränkt durch eine Spekulationssteuer zu
besteuern.
- Reform der Grundsteuer zur Baulandmobilisierung nutzen.
- Bodenrecht verändern: Gemeinwohlorientiert für sozial gerechten
Wohnungsbau und sozial gerechte Stadtentwicklung. Besteuerung von
Wertsteigerung des Bodens um die kommunale Daseinsvorsorge zu finanzieren
bei allen Vorhaben, die den Rahmen eines Vorhabens im familiären
Eigenbedarf übersteigen.
- Zweckentfremdungsgesetz zu einem effektiven Instrument für Kommunen
entwickeln (Räumung / Verwaltungszwang).
- Mietsteigerung mit einer echten, funktionierenden Mietpreispremse
begrenzen.
- Praxistaugliche Ausgestaltung des §5 Wirtschaftsstrafgesetz (Wucher).
- Bindungsfrist beim geförderten Wohnungsbau verlängern.
- Mehr Rechte für Kommunen um Gentrifizierung zu stoppen.
- Modernisierungsumlage senken.
Rahmenbedingungen für bezahlbares Wohnen und lebenswerte Siedlungsstrukturen
schaffen
- Neue Wohnungsgemeinnützigkeit einführen.
- Bund-Länder-Aktionsplan „Studentisches Wohnen“ auflegen.
- Städten erleichtern, ihr kommunales Vorkaufsrecht wahrzunehmen.
- Wohngeld anheben, um bedürftigen Menschen unter die Arme zu greifen.
- Programm „Soziale Stadt“ fortführen und weiterentwickeln.
- Begegnungszonen („Shared Space“) auch in Deutschland einführen und
fördern.
- Den Kommunen Festlegung von Tempo 30 an Durchgangsstraßen innerorts
ermöglichen.
- Urbane Gärten, alternative Wohnprojekte und Baugemeinschaften fördern,
Bürgerenergie und generationengerechtes Wohnen unterstützen.
- Anreize für flächensparendes Bauen und kompakte Raumkonzepte schaffen um
den Flächenfraß zu begrenzen.
- Andere Verteilung von Gewerbe- und Einkommensteuer, um Fehlallokationen
von neuen Gewerbegebiete zu vermeiden.
- Investitionsprogramm für Wärmesanierung, um Ressourcen und das Klima zu
schonen – und zwar für alle bezahlbar.
- Keine Absenkung der energetischen Standards.
- Mehrheits- statt Einheitlichkeitsprinzip bei
Wohnungseigentümergemeinschaften z.B. bei Schaffung von Ladesäulen,
Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energie etc.
Von der Landespolitik erwarten wir:
Vorfahrt für den sozialen Wohnungsbau!
- Genossenschaften wiederbeleben und den sozialen Wohnungsbau sowie die
Gründung kommunaler Wohnungsbaugesellschaften viel stärker fördern.
- Wohnraumförderung von zum Beispiel 1 Milliarde Euro pro Jahr in Bayern.
- Die SoBoN weiterentwickeln, sodass sie auch für Nachverdichtungsprojekte
im Bestand wirken kann.
- Flächendeckend qualifizierte Mietspiegel in Oberbayern und anderen
belasteten Regionen. Berücksichtigung der Bestandsmieten beim Mietspiegel.
Leitbild „Lebenswerte Stadt der kurzen Wege“:
- Anforderungen bei der Stellplatzpflicht deutlich verringern. Carsharing-
Stellplätze ausweisen.
- Statt überhöhter Stellplatzpflicht hochwertige, bequem erreichbare,
wetterfeste und diebstahlsichere Fahrradstellplätze: Beim Wohnen und an
Arbeitsplätzen.
- Anreize zur kompakteren Bebauung von Einzelhandelsmärkten mit großen,
ebenerdigen Parkplätzen, ggf. Parken in Tiefgaragen oder auf dem Dach.
- Anreize zur Reaktivierung von Industrie- und Gewerbebrachen sowie
Altlastenflächen
- Kommunalberatung für innovative städtebauliche Vorhaben schaffen.
- Föderprogramm Fassaden- und Stadtbegrünung schaffen.
In der Kommunalpolitik wollen wir erreichen:
- Innen- vor Außenentwicklung, Vitalisierung von Ortskernen.
- Höher, dichter, urbaner bauen, um Freiflächen zu schützen („horizontale
Nachverdichtung“).
- Urbane Verdichtung im Umkreis von Bahnhöfen.
- Kleinteiligere Vergaben von Bauprojekten um mehr Vielfalt zu ermöglichen.
- Investitionen in Fuß- und Radwege sowie in qualitätvolle öffentliche
Räume.
- Mehr Bürgerbeteiligung in Planungsprozessen.
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